Hier in Libyen wird unserem Neujahr nicht so viel Beachtung geschenkt. Zum einen beginnt die Zeitrechnung im Islam mit der Pilgerreise des Propheten Mohammed und deshalb lebt man hier ungefähr im ausklingenden 14 Jahrhundert (nun werden mir auch einige schon erlebt Verhaltensweisen erklärbarer). Zum anderen hat das Islamische Jahr 355 Tage, wodurch der Jahreswechsel an einem anderen Tag liegt. Momentan eher Anfang Dezember, habe ich mir sagen lassen.
Somit muss man schon Leute finden die nach dem Gregorianischen Kalender feiern. Glücklicherweise fiel das diesjährige Neujahr auf einen Freitag, der ja bekannter Weise hier wirklich seinem Namen alle Ehre macht und frei ist. Pluspunkt der Ehrlichkeit für Libyen. Somit gab es keine Bedenken für ein Reinfeier mit Ausschlafen.
In einer netten deutschen Fünfer Runde haben wir dann auch in der Nähe von Tripolis Fondue gegessen und ich habe mich, wie eigentlich immer, wenn es hier mal etwas richtig Leckeres zu essen gibt, gnadenlos überfressen. Kennt ihr dass, wenn man wirklich schon richtig satt ist und dann kommt noch Eis zum Nachtisch? Schrecklich! Würde mich gerne rausreden und argumentieren, dass es bei uns auf dem Lande momentan nicht viel Eis zu kaufen gibt, was auch den Tatsachen entspricht und ich deswegen unter dem Motto „Wer weiß, wann ich das nächste Mal im Leben wieder Eis kriege“ zugeschlagen habe. Aber ganz ehrlich, ich hätte es auch getan, wenn in Alwanija ein Swimming-Pool voll Speiseeis auf mich gewartet hätte. Das sind auch die Momente, bei denen ich als Nichtraucher den Suchtfaktor oder nennen wir es nur den unterschwelligen Drang verstehe und deshalb die Raucher nicht wirklich verurteilen kann. Der, der frei von Sünde ist, der werfe den ersten Stein…. (Da schießt mir immer der grandiose Spruch aus Monty Python „Das Leben des Brian“ durch den Kopf: „Guter Wurf“ nachdem eine Gruppe von Menschen einen riesigen Steinbrocken auf einen am Boden liegenden, hat fallen lassen – aber das nur so nebenbei), da halt ich den Ball mal lieber flach.
Als gute Deutsche haben wir auch nicht nach Libyscher Zeit (Sommerzeit gibt es hier nicht), sondern pünktlich um 1:00 libyscher Ortszeit auf das neue Jahr angestoßen. Gegen halb drei hat sich die Runde dann aufgelöst und ich mich auf den Heimweg gemacht. Während ich so über die recht leeren Straßen fegte, konnte ich mich davon überzeugen, dass der Libysche Straßenpolizist ein nachtaktives Wesen ist. Auf den rund 160 km wurde ich viermal angehalten und kontrolliert. Dabei war eine feste Polizeistation/-straßensperre einkalkuliert, aber bei den drei mobilen Kontrollen, war es schon schwierig, schnell genug zu bremsen ohne das die Reifen quietschen, um eine gemächliche Fahrweise vorzutäuschen. Diese „Alarm für Kobra 11“-Verschnitte gehen dabei teilweise schon etwas lebensmüde zu Werke. Ich würde mich nicht in einer schwarzen Uniform, mit einer nicht-reflektierenden Kelle in der Hand, um 4:00 morgens auf eine Libysche Straße stellen und vergessen an meinem Dienstfahrzeug die Rundumleuchten anzustellen. Vor allen Dingen, wenn hier in Libyen nicht alle Fahrzeuge funktionierende Frontscheinscheinwerfer besitzen. Meines Erachtens hat da ein weißer Wildhund, der dir bei 140 Klamotten direkt vor dein Auto rennt, mehr Lebenserwartung. Aber manche suchen auch die Herausforderung.
Dagegen sind die ungebundenen Öffnungszeiten sehr schön. So war es mir möglich gegen 3:30 Uhr sogar noch auszusuchen in welchem Laden ich mir ein Getränk besorge und ich spreche nicht von Tankstellen. Diese Atmosphäre hat mich dann auch dazu inspiriert an einem der geöffneten Keramikläden zu halten und gegen 3:43 Uhr, meiner sonst nicht so ausgebildete Kauflust zu frönen.
Genau bei diesem Einkauf war es auch, an dem ich bemerkte, dass ich etwas von dem Essen nicht vertragen hatte. Oh ha. Aufgrund fehlender öffentlichen Toiletten in nahezu dem gesamten Land, war ich dann sehr froh ca. eine Stunde später bei unserem Haus anzukommen. Nach einem toilettalem Befreiungsschlag (Nein! keine Details!), bin ich dann ins Bett gefallen.
Um noch einmal den Kreis zu schließen, wisst ihr, wann man weiß, dass man wirklich genug gegessen hat? … Wenn man nach 12 Stunden Schlaf aufwacht und noch immer keinen Appetit verspürt. Denn als ich heute aufwachte und mich nicht übertrieben ausgeschlafen fühlte, schaute ich auf mein Handy und es war 17:08 Uhr. Wow und ja, ihr dürft etwas neidisch sein. Kann mich auch nicht erinnern, wann ich das letzte Mal oder ob ich jemals so spät aufgewacht bin.
Frohes neues Jahr 2010