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26. Februar 2011 6 26 /02 /Februar /2011 08:13

Hier ist noch einmal zusammenfassend die gesamten Streckenführung der Tour, für alle die, die die Libyenkarte jetzt nicht ganz im Kopf haben. Mensch drei mal die nacheinander und trotzdem kein Fehler.

Libyen-Fahrt.jpg

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25. Februar 2011 5 25 /02 /Februar /2011 12:58

Vorgänger

 

Lage der Nation IV

 

 

{Sollte ein Leser empfinden, dass ich im Folgenden zu humoristisch mit der aktuellen Realität in Libyen umgehe, bitte ich zu bedenken, dass Menschen unterschiedlich Erlebtes verarbeiten.}

LdN V-01 - kleinAm nächsten Morgen frühstückten wir erst einmal ausgiebig und nachdem wir unsere Metallesel wieder aufgetankt hatten, machten wir uns gegen 8:00 Uhr auf unsere Reise nach Tripoli. Nach den bisher absolvierten 850 Kilometern durch den unruhigen Osten freuten wir uns nahezu auf die vor uns liegenden 450 Kilometer durch den ruhigeren Westen des Landes. Und so war es dann auch hauptsächlich. Wir fuhren über schnurrgrade nicht enden wollenden Straßen, die nahezu Verkehr und Menschenleer waren. Wenn uns mal ein Fahrzeug begegnete, war es ein einheimischer Pendler, aber garantiert kein ausländischer Wagen mit blauem Nummernschild. Uns konnte das nur recht sein, jeder der uns nicht aufhalten wollte und zuhause blieb, war uns willkommen. Die ersten Straßenkontrollen hielten uns erst nach ca. 250 Kilometer Fahrt vor den Toren der Stadt Bani Walid an. Sich mehrfach entschuldigend wurde unser Gepäck ein weiteres Mal durchsucht und unsere Ausweise vorgezeigt. Da für unseren Österreichischen Kollegen Rene sich der Kreis schloss, da er vor Jahrzehnten in Bani Walid seine ersten Libyenerfahrungen gestartet hatte, kam es zu einem Pläuschen zwischen ihm und dem Wachhabenden, zu dem wir übrigen sechs und gespannt dazugesellten. Dieses Drängen um den Wachhabenden machte dann aber seinen Vorgesetzen nervös, da dieser das Thema nicht mitbekommen hatte und anscheinend vermutete, wir wollen seinen besten Mann beschwatzen oder in die Mangel nehmen. Deshalb kam er schnurstracks zu uns rüber marschiert und forderte uns auf sofort weiterzufahren, da wir ja schon kontrolliert waren und hier nichts mehr verloren hatten. Recht hatte er Reisende soll man nicht aufhalten. Das sah der Kontrollposten am Ausgang von Bani Walid, aber ganz anders.

 

Obwohl uns die ersten vier Gesichter mit unseren Ausweisen zufrieden waren, hatte der fünfte in der Reihe das dringende Bedürfnis uns doch noch einmal richtig auf den Zahn zu fühlen. Somit mussten wir wieder an den Straßenrand fahren und durften noch einmal die intensivste Kontrolle unserer Reise über uns ergehen lassen. Alle raus, jedes Gepäckstück durchsucht, Laptops öffnen und anschalten, alle Handys abgeben, damit sie separat geprüft werden können, alle Pässe abgeben, inklusive langer Diskussion über den geklauten Pass von Schumi und alles vorhergenannte mindestens in doppelter Ausfertigung, da etwas die Koordination der Kontrolle abhanden gekommen war oder die Kollegen sich nicht gegenseitig trauten. Nachdem wir alles zurückbekommen, eingesammelt und verpackt hatten, war dann auch knapp eine Stunde vergangen. Wieder einmal kam mir der Gedanke, ob uns ein DIN-A0-Aufkleber vom Führer, wie er in Sirte an fast jedem Auto klebte, uns weitergeholfen oder eher zur Zielscheibe gemacht hätte. Durch den Nichtbesitzt eines solchen Aufklebers, erübrigte sich allerdings jegliche weitere Spekulation über den Nutzwert.

Trotz des Enthusiasmus der Bani Walidischen Ordnungshütern, lagen wir noch gut in der Zeit und auf den verbliebenen 200 Kilometern gab es nur noch wenige Kontrollen und das Leben auf den Straßen begann wieder seinen Alltag zu verrichten. Sehr vorteilhaft war der Umstand, dass unser anvisiertes Baucamp außerhalb von Tripolis und keine 15 Minuten vom Flughafen entfernt lag. Somit mussten wir nicht in die Stadt direkt und wurden im Laufe des Tages und Abend über die ansteigende Anspannung durch das Fernsehen und Telefonate informiert. Gegen 13:00 Uhr erreichten wir unser Ziel und wurden herzlich empfangen. Nachdem wir uns verpflegt hatten wurde die Lage neu sondiert und es kristallisiert sich schnell heraus, dass nur die sofortige Ausreise aus Libyen sinnvoll wäre. So wurde also versucht per Telefon und Internet, die beide immer schlechter zur Verfügung standen, abwechselnd mit dem Flughafen, der Fluggesellschaft  oder den Botschaften einen möglichen Flug zu organisieren. Zum wirklichen Erfolg führte dies jedoch nicht und als wir gegen Abend noch keinen sicheres Flugticket für einen von uns in der Hand hielten, war klar, dass wir am nächsten Tag den Flughafen besetzen würden, bis wir ihn in die richtige Richtung verlassen könnten.

 

Als letzte Amtshandlung folgte nach dem Abendbrot und vor dem Schlafengehen noch eine runde UNO, die trotz der Anspannung alle etwas aufgelockert oder zu mindestens für eine gewisse Zeit auf andere Gedanken gebracht hatte.

 

Nach einer ruhigen und längeren Nacht als zuvor, brachen wir in Form von drei Österreichern und zwei Deutschen am Vormittag zum Flughafen auf um einen Platz in den Linienflügen zu ergattern. Wie erwartet war der Flughafen überfüllt und es gab Zig-Meter lange Schlangen an den beiden Eingangstüren, die sich aus  Menschen aus den verschiedensten Teilen der Erde zusammensetzten. Multikulti wäre in diesem Gewühl noch untertrieben. Somit stellten wir uns brav an und für mich war es das erste Mal, dass jemand bei der ersten Gepäckkontrolle am Eingang, überhaupt auf den Bildschirm des Scanners schaute. Sonst war der Stuhl entweder frei gewesen oder ein etwas schläfrig wirkender Beamter hatte in eine ganz andere Richtung gestarrt.

Noch bevor wir mit unserem Gepäck im Flughafengebäude waren, gingen zwei von unseren Kollegen vor um sich an den Ticketschalter ihr Glück zu versuchen. Die ernüchternden Rückmeldungen und Aussagen am Schalter gaben anfangs nur Preis, dass alle Flüge an diesem Tag ausgebucht warten und das Computersystem kontinuierlich abstürzte oder kein Internet hatte, um Flüge für die nächsten Tage zu prüfen. Der größte Erfolg wurde nach einigen Stunden für Thore und mich errungen, als wir eine handgeschriebene Reservierung für eine Flugverbindung über London bekamen. Einziger Nachteil daran war, dass dieser erst in zwei Tagen abflog. Wir nahmen den Zettel als Notnagel hin, aber blieben bei unserem Plan noch an diesem Tag das Land zu verlassen. Sicher war, dass es mindestens ein Linienflug nach Österreich und einen nach Deutschland gab und da wir von beiden Nationalitäten etwas dabei hatten, hielten wir unsere Chancen noch nicht für aussichtslos. Insbesondere da wir gehört hatten, dass am Vortag der Flug nach Österreich halb voll oder halb leer (das bleibt noch auszudiskutieren) abgeflogen war. In einen ähnlichen Umstand setzten wir auch unsere Hoffnungen und als das Check-In für Wien kurz vor dem Ende stand. Machte unser österreichischer Kollege Eibert auf in die Flut von Wartenden um uns möglich leere Plätze zu ergattern. Am Ticketschalter bekam er die Antwort direkt am Gepäckannahmeschalter sein Glück zu probieren, sofern er dort mit Karte zahlen könnte. Daraufhin holte Eibert uns aus dem Dornröschenschlaf der Wartenden ab und wir schlugen uns zum Gepäckannahmeschalter der Austrian Airline durch. Wie das Glück es so wollte traf Eibert während diesem Bad in der Menge sogar noch einen Bekannten, der uns tatkräftig am Schalter unterstützte und helfen konnte. Am Ende von mehreren Stunden Hoffen und Harren hielt Eibert fünf Tickets in der Hand und wir durften unsere Koffer abgeben. Die Freude strahlt uns aus den Gesichtern und wir machten uns auf den Weg zum Flugzeug. Die letzten Pass und Gepäckkontrollen konnten wir schnell hinter uns lassen und als wir uns in die Sitze fallen ließen, viel neben Staub auch ein großer Teil der Anspannung von uns ab.

 

Als das Flugzeug abhob waren zwar immer noch Plätze frei, aber es handelte sich nicht mehr um einen halb leeren (oder vollen)  Flug. Leider hatte eine Gruppe von Deutschen, die wir am Eingang zum Flughafen getroffen hatten, es nicht geschafft mit an Bord zu kommen. Ob es an der fehlenden Eigeninitiative, mangelnder Koordination des Flughafenpersonals oder dem fehlenden Quäntchen Glück  gelegen hat möchte ich nicht anmaßen zu beurteilen.

 

Der Flug war ruhig und brachte uns nach Wien. Als wir endlich europäischen Boden unter den Füßen hatten, war das Aufatmen auch der Familien groß, als wir sie endlich wieder telefonisch erreichten konnten. Auf der Suche nach unserem Gepäck trieben wir dann in eine Scharr von Journalisten die Begierig nach Neuigkeiten einen umstellten. Da unsere Österreichischen Kollegen keinen übergroßen Wert darauf legten sich mit der Presse zu unterhalten, begnügten sich die Reporter mit uns Deutschen mit den Worten „Sind Sie Österreicher?“ ich „Nein ich bin Deutscher!“ „Egal, wenigstens sprechen Sie deutsch, das reicht schon!“. Thore und ich gaben ein paar Statements ab, wobei die von Thore in den Folgetagen auch in den Fernseh- und Printmedien zu sehen waren. Meine wurde mindestens deswegen nicht genommen, weil ich das Grinsen einfach nicht aus dem Gesicht bekam. Denn hinter den Reportern hatte einer meiner österreichischen Kollegen (diesmal nenne ich auch nicht sein Pseudonym) schwer mit seiner Blase zu kämpfen und trat nur von einem Bein auf das andere und wies alle Reporteranfragen ab. Er hatte sich ein bis zweihundert Bier auf dem Flug genehmigt und meinte sinngemäß als er die Presse sah: „Ich kann mit denen jetzt nicht reden, ich bin betrunken und muss dringend aufs Klo!“. Einer der Fotografen bat mich deshalb auch etwas traurig oder mindestens ernster in sein Objektiv zu schauen. Ist mir aber nicht wirklich gelungen.

 

Nachdem das Interesse an uns abgeflaut war, mussten Thore und ich feststellen, dass das Gepäckband so leer wie unser Gepäckwagen war. Na egal wenigstens waren wir mitgekommen. Immerhin konnten unsere österreichischen Kollegen ihre geretteten Habseligkeiten in Empfang nehmen. Nachdem wir uns herzlichst von einander verabschiedet hatten, geleitete und führte uns Eibert noch zielsicher durch den Wiener Flughafen und so konnten Thore und ich auch gleich noch einen Anschlussflug nach Hamburg ergattern.

 

Gegen 20:30 konnte ich dann am Flughafen meine Familie in die Arme schließen und wir waren alle heilfroh wieder beisammen zu sein.

 

Mein besonderer Dank auf dieser Tour gilt Thore, der uns durch Libyen geführt hat und Eibert der uns aus Libyen gebracht hat. Mit Blick auf die aktuelle Situation im Land haben wir genau das Richtige getan und hatten das Glück auf unserer Seite.

 

Mein/Unser Happy End.

 

Meine Gedanken und Sorgen sind bei all den Menschen, die ich in Libyen kenne und die sich noch im Land befinden.  Ich hoffe, dass ihnen das Glück genauso hold ist, ihnen nichts passiert und die Situation in Libyen sich möglichst schnell und unblutig wieder beruhigt.

 

 

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24. Februar 2011 4 24 /02 /Februar /2011 13:13

Vorgänger Lage der Nation II

                    Lage der Nation III

{Sollte ein Leser empfinden, dass ich im Folgenden zu humoristisch mit der aktuellen Realität in Libyen umgehe, bitte ich zu bedenken, dass Menschen unterschiedlich Erlebtes verarbeiten.}

Gleich am Eingang von Ajdabiya war eine Tankstelle, die einen erstaunlich normalen Betrieb hatte, was uns beruhigte und zum Tanken einlud. Auffällig waren nur die Unmengen von Ersatzkanistern, die alle vor uns Tankenden zusätzlich abfüllten. Verwunderung darüber gab es allerdings nicht, denn es war davon auszugehen, dass den unruhigen Regionen in nächster Zeit der Benzinhahn zugedreht werden würde, um diese Möglichkeit der Mobilität und Bandbeschleuniger auszutrocknen.

LdN IV-01- klein

 

Mit vollem Tank ging es zurück auf die Straße und somit auch in die Stadt. Wie schon in Dernah waren auch in Ajdabiya alle Polizeistationen und diverse öffentliche Gebäude in Brand gesteckt worden, allerdings waren die Brände noch sehr frisch, so das teilweise noch die Flammen aus den Fenstern schlugen. Wo es nur noch qualmte waren fleißige Monteure dabei den letzten Nutzwert aus den Gebäuden zu deinstallieren (Klimaanlagen etc.) und abzutransportieren.

 

LdN IV-02- klein

Während wir über die Hauptstraße fuhren wurde der Verkehr langsam dichter und plötzlich sahen wir ca. 200 Meter vor uns eine kleine Gruppe von etwa sechs Männern auf der Straße, die mit maskierten Gesichtern anscheinend vor hatten auf eigene Faust den Verkehr zu kontrollieren. Aus meiner Position im zweiten Wagen, war zu erkennen, dass der Mop, als wir näher kamen,  das ausländische Nummernschild des vorausfahrenden Wagens erkannt hatte. Die Stimmung schien sich unter den Jugendlichen aufzuheizen und sie fingen von Weitem an sich direkt in unseren Fahrweg zu stellen und forderten uns auf mit nach unten deutenden Hand- und Armbewegungen auf anzuhalten. Da links und rechts hohe Bordsteine, sowie Lampen und Bäume waren hatten wir ein stark eingeschränktes Fluchtfeld. Die Option tatsächlich anzuhalten sah Armin als Fahrer des ersten Wagens zum Glück auch nicht als verlockend, da dies mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Ende unserer Fahrt bedeutet hätte und so tat er das für uns einzig richtige. Er trat aufs Gas und hielt die Fahrspur, die direkt auf zwei Jungkontrolleure zu führte. Kurz bevor er diese erreichte brachten die beiden Wegelagerer mit einem Satz nach links in Sicherheit und Armin wich zusätzlich etwas nach rechts in Richtung Straßenkantstein aus. Dieser Schlenker nach rechts führte ihn genau durch eine Pfütze, dessen Wasser er mit einem Happy Splashing direkt über die jüngeren Schaulustigen spritzte, die wahrscheinlich ganz stolz ihre etwas älteren Brüder bei ihrer ersten Autoübernahme bejubel wollten. Doppeltes Pech für sie war, dass, während sich die Halbstarken lautstark und wild gestikulieren über Armin aufregten und ihm drohende Fäuste hinterher fuchtelten, ich ebenfalls die geöffnete Schneise nutzte und somit die zweite Ladung Wasser in ihre aufgeregten Gesichter schoss. Das tat mir zum einen Leid, aber ich war mir auch sicher, dass dieses Grüppchen nicht darauf aus war uns ihre politischen Ansichten in einem ruhigen Gespräch näher zu bringen, damit wir dann anschließend einen Tee trinken und passieren dürfen.

Als nächstes näherten wir uns einen Kreisverkehr, auf dem sich eine Ansammlung von mehreren Hundert Menschen befand. Da wurde uns schon etwas mulmig und fuhren langsam mit dem fließenden Verkehr darauf zu, indem wir uns nach eventuellen Extraausfahrten umsahen. Die gab es zwar nicht, aber zu unserem Glück besetzt die Menge den linken Teil des Kreisverkehres. Wir, die aber geradeaus fahren wollten, konnten somit unbehelligt über die rechte Seite den Pulk umfahren und als Ajdabiya von unseren Rücklichtern bestrahlt wurde, waren wir alle sehr froh, dass wir diesen Engpass unbeschadet durchquert hatten.

Nun war der Weg nach Sirte die nächste große Etappe, die mit weiteren 450 km vor uns lag. In den ersten Ortschaften, die zu beiden Seiten an uns vorbei folgen, war das Bild der verbrannten Polizeistationen noch unverändert. Erst nach ca. 80 Kilometern hinter der Stadt Marsa al Buraygah schien eine gewisse libysche Normalität einzukehren und wir getrauten uns sogar an einem Shop anzuhalten, um uns etwas Verpflegung zu besorgen. Nach weiteren 350 Kilometern ruhiger Fahrt, konnten wir die Küstenstadt Sirte am Horizont ausmachen. Mittlerer weile war es gegen 20:00 Uhr und schon vor längeren hatte uns die Nacht in seine Schatten eingehüllt. Kurz vor Sirte mussten wir feststellen, das wohl eben diese Dunkelheit, die Nervosität und Anspannung der Sirter gesteigert hatte.

Dazu muss man erwähnen, dass Sirte eine Hochburg der Regierungstreuen darstellt, da die Wurzeln des großen Führers aus dieser Umgebung stammen und diese Region dementsprechend auch gefördert wurde. Somit hatten wir also nichts Besseres vor, als in Zeiten der Unruhe gegen das Regime in einen Hochsicherheitstrakts des selbigen zu fahren. Viel Erfolg!

Noch vor dem offiziellen Checkpoint begannen deshalb auch schon die ersten Fahrzeugkontrollen, die nur Ausweise bzw. Pässe verlangten. Beim nächsten Kontrollpunkt ca. 800 Meter weiter sollten wir dann schon mal Aussteigen und es wurde nachgeschaut, ob wir nicht einen Blindenpassagier unter dem Gepäck versteckt hatten. Ab der zweiten Kontrolle verdichtete sich das Netz von Straßensperren und man bekam das Gefühl, dass an diesem Abend jeder einmal Polizist spielen wollte. In einem maximalen Abstand von 500 Metern gab es Unmengen Straßensperren vom Militär oder von der Polizei in Form von Autos, die die Straße zum Engpass verstellt hatten oder den regulären Kontrollhäuschen. Ebenfalls fühlte sich wiedermal viele Junge Bürger dazu erkoren, ihren Anteil an den Kontrollen zu leisten und blockierten zusätzlich mit ihren Autos die Straße, um dann gepflegt in unseren Koffern zu wühlen.

Eine Durchsuchung gesellte sich zu der Nächsten. Je nach Laune, Ausbildung oder Neugier des Kontrolleurs wurden wir wurden abgetastet, die Handys auf Internetverbindung geprüft, die Autos durchleuchtet, das Gepäck durchwühlt und wir mussten natürlich Rede und Antwort darüber stehen, wo wir her kamen, was unser Ziel sei oder was das für Gegenstände waren, die sich  in den Koffern befanden. So hatte ich einen besonders Interessierten versucht zu erklären, was auf dem geretteten Film „Voll auf die Nüsse“ vor sich geht und wie ein Hörbuch auf CD funktioniert. Vorspielend er hätte alles verstanden, ließ aber auch dieser mich lachend weiterfahren, damit ich in der nächsten Kontrolle einen anderen Gegenstand erklären durfte.

Egal ob Militär, Polizist oder Zivilist, alle waren gut bewaffnet und ließen einen nicht darüber nachdenken, ob man einfach mal versucht ohne anzuhalten weiter zu fahren.

Gute drei Stunden und gefahrenen 2 Kilometern und nachdem gefühlt nur noch eine Darmspiegelung fehlte, zog Thore die Notbremse. Wir befanden uns grade in der 12ten Kontrolle und ich musste meinen Laptop starten, um eine mögliche Internetverbindung auszuschließen, als Thore seinen einflussreichen Bekannten anrief. Da dieser unbedingt wollte, das Thore noch an diesem Abend vorbeikam, setzt Thore im das Messer auf die Brust und gab ihm die Möglichkeit entweder auf seine Besuch zu verzichten oder jemanden vorbeizuschicken, der uns bei all den Kontrollen unterstützt. Angenehmer weise entschied sich der Bekannte für die letztere Variante und nach ca. einer halben Stunde kam ein Pick-Up vorbei, der uns im Sinne eines Schneepfluges den Weg frei räumen sollte. Leider lief dies bei der nächsten Station aber ganz anders ab, während unser Schneepflug noch in tiefen Diskussionen mit dem Wachhabenden verstrickt war, konnte ich mit meinem Fahrzeug in einer parallelen Kontrollschlange schon passieren. Na Klasse! Also hatten wir nur eine Fahrzeug zum Kontrollieren mehr in unserem Mini-Konvoi, aber keine wirkliche Entlastung erhalten.

Das Blatt wendete sich allerdings gleich bei der 15ten oder 16ten Kontrolle, denn dort konnte der Neue einen wirklichen Vorblocker akquirieren. Dieser Wagen fuhr von da an immer zum nächsten Kontrollposten, quatschte den Hauptmann voll und winkte uns durch. Danach überholte er uns wieder und das Spiel begann von vorn. Nach der 25sten Kontrolle habe ich dann mit dem zählen aufgehört, weil ich mich auf den Verkehr konzentrieren musste.

In der Stadt Sirte selber, die nicht nur im Verhältnis zu allen mir bisher bekannten Libyschen Städten sehr sauber und ordentlich aussah, fuhren viele junge Menschen überschwänglich hupend und grüne Fahnen schwingend durch die Straßen und ließen das Gummi auf dem Asphalt rauchen und quietschen. Grün war eh die dominierende Farbe. Jeder der zig privaten Kontrolleure, die uns vorher nach Herzenslust gefilzt hatten, trug etwas Grünes um ihre Linientreue zu demonstrieren. Für den Bruchteil einer Nanosekunde kam mir - in der 6sten Kontrolle glaube ich- auch der Gedanke in den Kopf mir eine Grüne Unterhose aufzusetzen und einfach mit lauten Hupen mit dem Tross durch die weitern Kontrollen zu fahren. Aber zum einen hatte ich keine grüne Unterhose und zum andern war kam mir die Schneepflug Variante im Nachhinein doch sicherer vor.

LdN IV-05- kleinKurz nach Mitternacht kamen wir in dem Baucamp von Thores früherer Firma an, in der freundlicher weise für jeden von uns ein Zimmer und ein kleiner Snack bereit standen. Die schöne Lage des Camps direkt am Mittelmeer konnten wir allerdings durch die Dunkelheit und die übrigen Umstände nicht wirklich genießen.

Als erste Amtshandlung auf dem Zimmer kopierte ich dann die Bilder von den brennenden Häusern, die unseren Weg bisher flankiert hatten, auf den Laptop, damit ich zu mindestens eine Sicherung besaß. Während ich mir danach unter der Dusche den Wüstensand aus dem Gefieder wusch, war der arme Thore schon auf den Weg, um den versprochenen Besuch bei seinem Bekannten zu erledigen. Etwa gegen 3:00 morgens durfte dann auch Thore das Kissen auf seinem Bett gegen den Autositz eintauschen, um sich für den nächsten Teil der Reise auszuruhen.

Fortsetzung folgt…

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23. Februar 2011 3 23 /02 /Februar /2011 12:41

Vorgänger Lage der Nation II

 {Sollte ein Leser empfinden, dass ich im Folgenden zu humoristisch mit der aktuellen Realität in Libyen umgehe, bitte ich zu bedenken, dass Menschen unterschiedlich Erlebtes verarbeiten.}

 Die Auswahlmöglichkeiten waren deutlich begrenzt.

·         Abwarten und Tee trinken, da wir in der Wohnung von Armin eigentlich sicher waren, stand gegenüber der Tatsache, dass es mit jedem Tag schlimmer werden könnte. Da wir gesehen hatten wie sich die Lage in Benghazi mittlerer weile zugespitzt hatte, empfanden wir es aber als riskante Variante auf ein Abflauen der Unruhen zu hoffen. Auch war nicht zu erwarten, dass wir von der Bundeswehr geborgen werden, sollte sich die Lage in Dernah verschlimmert.

·         Zu versuchen den Flughafen von Benghazi zu erreichen, schied auf Grund der Informationen über die Stadt direkt aus.

·         Nicht wissend, ob man die Grenze nach Ägypten passieren konnte, war diese Option ebenfalls in die hintere Reihe gerutscht.

·         Nicht ohne Risiko, aber am erfolgversprechendsten erschien die Möglichkeit durch das Hinterland im Süden die Unruhen zu umfahren und uns so in den bis dato noch ruhigen Westen des Landes vorzuarbeiten mit dem Hauptziel Tripolis.

LdN III 1 - kleinDie letztgenannte Option nahmen wir dann in Angriff und legten uns nach einem Pasta-Abendbrot von Armins Mutter wie die Sieben Zwerge in Reih und Glied zum Schlafen. Erst war ich erstaunt, dass Armins Familie so viele Matratzen und Decken parat hatte, denn bei mir zuhause wäre es wirklich schwierig geworden mal schnell sieben zusätzliche Schlafmöglichkeiten zu errichten. Dann fiel mir aber ein, dass der Besuch von den Libyschen Verwandten eine noch deutlich größere Anzahl an Gästen bedeutet, wenn sagen wir mal zwei Bruder mit ihren Frauen und jeweils 5 Kindern zu Besuch kommen. Uns kam dies nur gelegen, da wir somit in den Genuss einer angenehmen Schlafmöglichkeit kamen. Einzig das Schnarchen von Armin, der neben mir lag, trieb mich dazu mitten in der Nacht meine Matratze in die Küche umzusiedeln, da meine Versuche das Schnarchen durch die Veränderung seiner Kopfhaltung mit Hilfe von starkem Zerren an seinem Kissen erfolglos waren.

Kleine Anekdote am Rande, von der Coolheit unseres einheimischen Dokumentcontrollers Mischa.

Da Mischa unbedingt seinen Pass noch aus dem schon unter Plünderung stehenden Camp retten wollte, machte er sich gegen unseren Rat auf den Weg zu unserem Bürogebäude. Als er dort ankam waren Einheimische grade dabei Büroräume einzutreten. Um möglichst unauffällig zu bleiben fragte Mischa einen Vandalen, der grad erfolglos an einer Tür rummachte, ob er ihm helfen könne. Als dieser dankend ablehnte, machte sich Mischa seinerseits gewaltsam an der Tür zu schaffen, hinter der er seinen Pass und für die er eigentlich auch den Schlüssel in der Tasche hatte. Dann rief der Coole Hund auch noch bei uns an und fragt, ob er noch etwas mitbringen solle. Unglaublich. Wir gaben ihm dann den Tipp, dass in einem der Büros noch ein Autoschlüssel für ein noch nicht gestohlenen Fahrzeugs läge und da er die Tür nicht auf gebrochen bekam, für die er diesmal aber auch keinen Schlüssel hatte, schlug er sich klassisch durch das Fenster und konnte sich somit noch etwas schneller in Sicherheit bringen. Obwohl ich mir sicher bin, dass die rumstehenden Plünderer ihm bestimmt stolz auf die Schulter geklopft haben. Ungewöhnliche Umstände verlangen nach ungewöhnlichen Lösungen.

Samstag der 19. Februar

Nachdem wir aufgestanden wurden fleißig Aufgaben verteilt. So baten wir unsere Libyschen Kollegen darum, uns die Autos aufzutanken und zusätzliche Benzinkanister zu besorgen. Die vier Kollegen die im Camp ihre Unterkunft hatten, machten sich auf die Suche nach möglichen verbliebenen persönlichen Hab und Gut, aber mussten das Vorhaben wieder abbrechen, als gewahr wurde, dass das Camp noch weiterhin bewacht und besetzt war.

Thore und ich hatten da mehr Glück, da unsere außerhalb liegenden Unterkünfte unberührt waren und wir somit noch einen Koffer mit den liebsten Dingen packen konnten. Aber auch das ist merkwürdig einen Koffer zu packen, mit dem wissen, dass man alles was da nicht reinkriegt, wohl auch nicht mehr wiedersehen wird.

Bei der Tour durch Dernah, konnten wir uns davon überzeugen, dass das Baucamp an dem vorherigen Abend kein Einzelfall war. Alle Polizeistationen auf dem Weg waren in Brand gesteckt worden, so dass sie entweder noch vor sich hin qualmten, ausgebrannt die schwarzen Rußspuren an den Fenster und Türen trugen oder direkt zusammen gebrochen waren. Ebenfalls hatte man das mindestens fünfstöckige Gerichtsgebäude in Flammen aufgehen lassen und auch die Hafengebäude ließen Rauchwolken in den Himmel steigen. Am Hafen hatten sich die nächtlichen Nutznießer des Chaos noch einmal anständig mit Fahrzeugen eingedeckt, denn die 600 Neuwagen, die vor kurzem die Staufläche vor den Hafengebäuden schmückten, waren alle samt gestohlen. Da in der gesamten Stadt keine Polizei mehr zu sehen war, präsentierten die neuen Halter auch ganz ohne Scheu, eher mit Stolz ihre Nummernschilds-losen Fahrzeuge in der Stadt.  

LdN III 4 - Hafen - klein

 Der Hafen

LdN III 5 - Hafen - klein

Die Hafenverwaltung

LdN III 3 - Gericht - klein

Das Gerichtsgebäude

LdN III 0 - Ausschnitt kleinAls wir uns bei Armin wieder zusammen gefunden hatten, gab es noch zwei wichtige Punkte zu entscheiden. Da die Nummernschilder von Fahrzeugen, die nicht Libyern gehörten, deutlich durch einer Schwarzen Nummer, die das Land auswies, auf blauen Hintergrund gekennzeichnet waren, stand die Frage im Raum, ob wir diese gegen libysche Nummernschilder tauschen, um nicht von Weitem gleich als Ausländer erkannt zu werden. Wir entschieden uns aber gegen den Austausch, da die falschen Nummernschilder bei Polizeikontrollen uns wiederum in Schwierigkeiten gebracht hätten. Stattdessen hatte einer unser Libyer Übernacht schon den blauen Hintergrund vom Nummernschild abgekratzt und den restlichen Teil mit Schlamm überschmiert. Zufrieden mit dieser Lösung, hatten wir diesen Punkt geklärt.

Als zweites musste sich unser Kollege Schumi, der aus Ghana stammt, entscheiden, ob er mitkommen wollte oder nicht. Sein zusätzliches Problem und Risiko war nämlich der Verlust seines Reisepasses beim Diebstahl des Autos samt Gepäck am vorherigen Tag. Immerhin besaßen wir eine Scan von diesem Dokument und konnten es noch durch einen unserer Libyschen Kollegen ausdrucken lassen, aber perfekt war das natürlich nicht. Der Umstand, dass Schumi noch seinen libyschen Führerschein besaß, ließ ihn sich dafür entscheiden es mit diesem als erste Ausweismöglichkeit zu versuchen und mitzukommen.

11:00 Uhr war Abfahrt. Unser Tagesziel war die Stadt Sirte. Da die Stadt und die Umgebung der langjährige Arbeitsplatz von Thore waren, kannte er sich dort sehr gut aus und hatte viele Kontakte, mit deren Hilfe er uns vorab schon Unterkünfte besorgen und die aktuelle Lage vor Ort in Erfahrung bringen konnte, die uns als ruhig mitgeteilt wurde. Ebenfalls konnten wir von Thores Erfahrungen über das Land und sein Straßennetz schöpfen, als es darum ging die Fahrtrute festzulegen.

Nachdem wir uns von unseren libyschen Kollegen verabschiedet hatten machten wir uns sieben Personen auf den Weg. Der bunt zusammengewürfelte Haufen bestand aus zwei Ghanaern, zwei Österreichern, zwei Deutschen und einem Libyer aufgeteilt auf zwei Fahrzeugen, von dem das Eine ein österreichisches und das Andere ein türkischen Nummernschild besaß.

LdN III 6 - Abfahrt - kleinDas erste was wir erblickten als wir in Richtung Süden Dernah verließen, war ein frisch angezündetes in Flammen stehendes Polizeigebäude, was uns gleich mal deutlich machte, dass die Unruhen der Nacht noch nicht abgeklungen waren. Kurz nach verlassen von Dernah setzt ein starker Regen ein, von dem ich hoffte, dass er die aktuellen Brände erlöschen würde. Ebenfalls verlieh der Regen mir die Hoffnung, dass viele der randalierenden Mitläufer sich als Schönwetter-Rowdies entpuppen und somit unsere Fahrt ungestörter verlaufen würde. Nach den ersten 60 Kilometern wechselte das Wetter nahezu übergangslos von dem Starkregen in den heftigsten Gibli, den ich in meinen zwei Jahren Libyen erlebt habe.

LdN III 7 - Gibli - kleinDer Sandsturm war teilweise so dicht, dass man Mühe hatte über die Motorhaube hinweg zu sehen und sich höchsten durch einen Blick aus dem Seitenfenster orientieren konnte, ob man noch auf Asphalt fuhr. Der Sand wurde durch die geschlossene Beifahrerscheibe, auf die der starke Wind stand, gepresst und bildete größere Häufchen auf der Türverkleidung unterhalb des Fensters. Streckenweise hob sich die Nadel des Tachos nicht einmal an und verharrte unterhalb der 20 Stundenkilometer Markierung. In diesen Abschnitten hatte Thore als mein Beifahrer das Lenkrad in der Hand und versuchte sich direkt an die Straßenkante zu orientieren, die er aus dem Seitenfenster zu erspähen hoffte. Ich meinerseits war für die Geschwindigkeit und den Blick nach vorne zuständig, um eventuelle Hindernisse, die uns frontal begegnen könnten, zu lokalisieren.

LdN III 8 - Gibli - kleinWirklich unangenehm waren die zwischendurch auftretenden Regengüsse im Standsturm, die dreckige Regentropfen auf den Scheiben  aufschlagen ließen. Bei dem Versuch die Sicht mit Hilfe des Scheibenwischers zu verbesser, war der gegenteilige Effekt garantiert und das Wasser aus der Scheibenwischanlage war durchaus limitiert. Trotz dieser fahrtechnischen unangenehmen Umstände empfand ich den Sandsturm, ebenso wie den Starkregen zuvor, eher als Schutz für uns, als ein Hindernis. Wenn wir nichts sehen konnten, konnten uns auch andere nicht sehen. Richtig erschreckt hatten wir uns nur einmal, als plötzlich ein Truck vielleicht 20 Meter vor uns unbeleuchtet aus dem Sand wie aus dem Nichts auftauchte. Wie ein Geisterschiffen, das aus dem Nebel sich vor einem auftürmt und dann genauso schnell wieder verschwindet.

Nach rund 90 Kilometer Fahrt legten wir unseren ersten Tankstop im Standsturm ein. Obwohl es vom Benzinverbrauch noch nicht nötig war, wollten wir jede Möglichkeit einer offenen Tankstelle nutzen, die sich uns bot.

LdN III 9 - Wüstenstraße - kleinNach weiteren 100 Kilometern, die wir in Richtung Süden gefahren waren, trafen wir auf Wüstenstraße, die unsere Umfahrung der brenzligen Städte Benghazi und Al Beida darstellte. Das erste was uns da draußen im Nirgendwo begrüßte war dann auch wieder das abgebrannt Gebäude einer ehemaligen Polizeikontrolle. Da hatte sich wirklich jemand die Mühe gemacht auch hier hinaus zu fahren, um seinen Unmut kund zu tun. Einzig die Tatsache, dass das es keine Rauchentwicklung gab, ließ uns vermuten, dass sich die Brandstifter schon länger wieder entfernt hatten und wir somit keiner direkten Gefahr ausgesetzt waren.

Ab dieser Kreuzung machten wir uns dann nach Westen auf in Richtung der Stadt Ajdabiya. Auf dieser Wüsten Straße, die sich in der entgegengesetzten Richtung Ägypten führte, trafen wir dann auf sehr viele Fahrzeuge, auf deren Dächern sich das gesamte Hab und Gut von wahrscheinlich Ägyptischen Gastarbeitern Meterhoch stapelte. Und ganz oben drauf hatte die Meisten eine Schubkarre umgedreht eingebunden, von der wir vermuteten, dass es sich dabei um das Arbeitsgerät des jeweiligen Arbeiters handelte.

200 Hundert Kilometer später tauchte in sandfreier Atmosphäre die Stadt Ajdabiya vor uns auf, die wir auf unserer Route als Risikopunkt ausgemacht hatten, da wir auch von Ausschreitungen in dieser Stadt gehört hatten.

Fortsetzung folgt…

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22. Februar 2011 2 22 /02 /Februar /2011 14:43

Ich hoffe ihr habt etwas Zeit zum Lesen mitgebracht, denn es könnte etwas länger dauern. Die Namen, insbesondere von libyschen Kollegen die ich verwende, sind geändert, denn man weiß ja nie, wer dies hier liest und ich will keinen in Schwierigkeiten bringen.

{Sollte ein Leser empfinden, dass ich im Folgenden zu humoristisch mit der aktuellen Realität in Libyen umgehe, bitte ich zu bedenken, dass Menschen unterschiedlich Erlebtes verarbeiten}

Ups! Da hab ich wohl etwas zu früh grünes Licht gegeben als ich im Bericht „Lage der Nation“ noch eine ruhige Situation in Dernah beschrieb.  Nachdem ich diesen Bericht gesendet hatte, packten Thore und ich die Rechner ein und machten uns auf dem Weg vom Baucamp in unsere Unterkunft 1805 die ca. 1 km entfernt lag. Als wir aus dem Baucamp rausfuhren sahen wir eine größere Anzahl von Leuten an dem kleinen allein stehenden Shop, der genau vor dem Camp-Eingang monopolistisch ideal erbaut wurde. Wir gingen davon aus, dass die Gruppe sich getroffen hatte, um an diesem arbeitsfreien Freitag mit einem Bus in die Innenstadt von Dernah zu fahren und deshalb erregte die Zusammenkunft bei uns kein Aufsehen. Keine halbe Stunde später, sollten wir aber durch unsere Kollegen, die im Baucamp ihre Unterkünfte hatten eines Besseren belehrt werden. Die folgenden Schilderungen aus dem  Camp basieren auf den Ereignissen die meinen Kollegen erlebten haben.

Die Evakuierung

Als im Camp bekannt wurde, dass an diesem Abend eventuell etwas passieren wird, wurde mit der Evakuierung der Bewohner begonnen. Unsere Firma hatte zu dem Zeitpunkt noch vier Mitarbeiter in der Umzäunung der Camp-Anlage, die auf die Räumung des Camps eher zufällig gestoßen waren und sofort begannen das Notdürftigste einzupacken und sich ebenfalls wie alle übrigen auf den Weg zum Hauptplatz machten. Dort waren zum einen schon das Gros der Mitarbeiter der Baufirma angekommen und zum anderen die Parkplätze, auf dem auch ein Fahrzeug von uns bereit stand.

Skizze-Baukamp_2.jpgAls unsere Kollegen grade dabei waren ihr Gepäck ins Auto zu legen und einzusteigen, sprang ein Unbekannter auf den Fahrersitz und zwang Albert mit einem Messer, indem er vor ihm rumfuchtelnd und in seine Richtung stach, das Auto zu verlassen. Da Albert verständlicher Weise keinen Diskussionsbedarf in diesem Moment empfand, stieg er aus und der Fremde verschwand sowohl mit dem Auto, als auch mit dem Gepäck, das schon ins Auto verstaut war. Schönen Dank auch. Unsere Kollegen gesellten sich daraufhin zu der Menge von abfahrbereiten Bauarbeitern, als die wirkliche Übernahme begann, die augenscheinlich durchaus nicht ungeplant durchgeführt wurde.

Zuerst hatten sich mehrere Libyer, die als Fahrer bei der Baufirma arbeiteten und somit einen Ausweis fürs Tor und der damit verbundenen Zutritts-Berechtigung besaßen, unter die wartende Menschenansammlung am Hauptplatz gemischt. Dann ließ einer eine Metallstange aus seinem Ärmel gleiten und fing an auf die Scheibe eines Autos einzuschlagen. Dies war das Zeichen für seine Kollegen, die daraufhin sich Masken über ihre Gesichter zogen und dann ebenfalls Ihre bis dahin versteckte Bewaffnung in Form von Stangen, Gewehren, Handfeuerwaffen und ähnlichen einsatzbereit machten. Zeitgleich fuhren mehrere Autos vor den Haupteingang des Camps und blockierten so den einzigen Ausweg. Noch mehr Autos wurden mit Stöckern und Stangen bearbeitet und der Lärm ließ die verschreckte Menge vom Hauptplatz bergab zurück zu den Unterkünften drängen. Als dann die ersten Luftschüsse fielen, flohen die eingeschüchterten Mitarbeiter ans untere Ende des Baucamps wo sie vor der Umzäunung aufgehalten wurden und abwarteten.

Eine Weile geschah erst einmal nichts und Albert, der alles mit dem gestohlenen Auto verloren hatte, besorgte sich in Begleitung von einem Camp-Sicherheitsbeamten aus seiner Unterkunft eine zweite Notausstattung. Noch während er sich Sachen einpackte, machte sich seine Begleitung aus dem Staub. Als dann Albert aus dem Gebäude kam und die abwartenden Besatzer ihn vom Hauptplatz aus erblickten, wurden sofort Warnschüsse abgefeuert, die Albert natürlich zum Anlass nahm sich zurück zu den übrigen Wartenden der Baufirma zu begeben.

Nachdem die Raubritter genügend Verstärkung aus der Umgebung erhalten hatte, die in Form von vollgestopften Autos den Berg hinauf gekarrt wurden, begann die zweite Phase der unfreundlichen Übernahme. Diese bestand aus Plündern und Rauben. Sollte es politische Motive für diese Aktion gegeben haben, so wurden selbige durch eine lupenreine Bereicherungsgier und Vandalismus in den Hintergrund gedrängt. Die Gebäude wurden Stück für Stück, Zimmer für Zimmer aufgebrochen. Wenn die Türen nicht eingetreten werden konnten, so gingen die Fenster zu Bruch. Alles was irgendwie brauchbar erschien wurde autoladungsweise Abtransportiert. Mit jedem Fahrzeug, das vollbeladen abfuhr, wurden im Gegenzug neue Sympathisanten zum Camp gefahren. Der Andrang von neuen Freiwillige, entbehrte nicht einem gewissen Volksfest Charakter. Ebenso wurden alle Baufahrzeuge, ob Auto, Bagger oder Transporter in Beschlag genommen und weggefahren. Da werden sich in nächster Zeit bestimmt eine ganze Menge lokaler Baufirmen neu gründen und der Rest freut sich über einen neuen Bagger in der Garage.

Derweilen rieten unsere Kollegen im Camp davon ab, den Versuch zu starten Sie mit Fahrzeugen abzuholen, da die Gefahr zu groß war, dass man einfach aus dem Auto gezerrt wird und im besten Fall dieses ohne Personenschaden gestohlen würde. Hilfsbereiter Weise bot sich einer unserer Libyschen Mitarbeiter Armin an, zusammen mit einem einheimischen Freund von der Straße aus die ca. 500 Meter lange Auffahrt zu Fuß zum Camp hoch zu gehen, da sie als Libyer nicht auffielen, um dann zu sehen was man machen kann. So setzte ich die Beiden am Fuße des Camps ab und begab mich selber wieder in die sicherere Umgebung meiner Unterkunft, um auf Abruf eventuelle Freigänger einzusammeln.

Als unsere libyscher Rettungstrupp am unteren Ende des Camps ankam, endeckten sie zeitgleich mit den bis dato eingeschlossenen vier Kollegen aus Österreich und Ghana ein Loch im Zaun, das als neue Eingangspassage für die herbeiströmenden, hilfsbereiten Plünderer diente. Als die Eingesperrten den Rettungstrupp beim Einstieg bemerkten, gesellten sie sich zu ihnen und entschieden den Abstieg zur Straße zu wagen. Mit den wenigen Habseligkeiten, die gerettet werden konnten ging es dann zu Fuß los. Glücklicher Weise kannten unsere Libyer einen der Taxifahrer, der unbeladen auf den Weg nach unten war, um wahrscheinlich mehr Unterstützer für die Camp-Demontage zu besorgen, und konnten ihn überzeugen so viele wie möglich zu unserem Wohncamp 1805 zu fahren. Mir blieben dann noch zwei Fußgänger übrig, die ich wie abgesprochen am Fuße des Berges an der Straße einsammelte.

Als wir alle zusammen im Camp 1805 eingetroffen waren, berieten wir über die Situation und nahmen gerne das Angebot von Armin war, die Nacht in dem Haus seiner Familie zu verbringen. Da die Ausschreitungen sich nicht gegen Einheimische richteten, war uns wohl mit dem Gedanken in einem privaten Libyschen Haus unterzukommen. Gesagt getan und so fuhren wir mit zwei Fahrzeugen über Schlängelwege durch die Stadt Dernah, um nicht mit unseren Fahrzeugen, die durch die blauen Nummernschilder deutlich als ausländisch markiert waren, in Menschenansammlungen entlang der Hauptstraße zu geraten. Nichts desto trotz blieben uns einige Feuerbarrikaden von enthusiastischen Jugendlichen nicht erspart, aber da die Libyer fuhren, konnten wir passieren. Wahrscheinlich dachten die Jungs neben den brennenden Autoreifen, dass wir von den Fahrern entführt worden waren. Das konnte uns aber nur recht sein, da es uns eine sichere Durchfahrt garantierte.

Als wir gegen 20:00 Uhr bei dem Haus von Armins Familie ankamen, versteckten wir die Fahrzeuge auf dem Hof und sammelten uns erste einmal im Haus. Nachdem wir etwas zur Ruhe gekommen waren, machten wir uns ein Bild über die Lage Libyens mithilfe des Fernsehens in Form von Sender Al Jazeera und bekamen mit, dass insbesondere in Benghazi und Al Beida starke Unruhen und Militäreinsätze sich ereignet hatten.

Nun fingen wir an, an unseren Plänen zu schmieden.

Fortsetzung folgt…

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22. Februar 2011 2 22 /02 /Februar /2011 09:23

Und zwar in Deutschland. Puh!

Vielen, vielen, vielen Dank an alle die sich Sorgen um mich gemacht, angerufen, gemailt oder an mich gedacht haben. Eure Anteilnahme (be)rührt mich sehr.

Ich werde jetzt mal versuchen die Erlebnisse der vergangenen drei Tage zusammen zuschreiben und sie hier zu posten.

Freiheit für die Gummibärchen! Weg mit den Tüten!

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18. Februar 2011 5 18 /02 /Februar /2011 13:14

Aktuelle Hinweise (Auswertiges Amt)

  • Am 17. Februar 2011 hat es erneut, vor allem im Osten des Landes, Demonstrationen gegen die Regierung gegeben, die durch Sicherheitskräfte gewaltsam beendet wurden. In den nächsten Tagen ist weiterhin mit Pro- und Anti-Regierungsdemonstrationen im ganzen Land zu rechnen.
    Aufgrund der nach wie vor undurchsichtigen Lage im Osten des Landes (Cyreneika) wird derzeit vor Reisen dorthin, insbesondere nach Benghasi, Al -Beyda und Darnah, abgeraten.
    Vor allem die Innenstädte sollten gemieden werden. Es wird zu erhöhter Vorsicht geraten. Reisenden wird empfohlen, die Lage aufmerksam zu beobachten und größere Menschenansammlungen zu meiden.

Erst einmal vielen Dank für all die besorgten Nachfragen um meine Sicherheit. Aus den Medien ist aktuell ja zu erfahren, dass auch hier in Libyen etwas Unruhe ins Land und die Bevölkerung gekommen ist. Insbesondere hier im Osten, der für die Regierung historisch gesehen so etwas wie das schwarze Schaf des Landes darstellt, wurden über Ereignisse mit Verletzten und sogar Tote berichtet. Obwohl diese Begebenheiten in Benghazi (ca. 280 km entfernt) und Al Baida (ca. 70 km entfernt für landesübliche Verhältnisse nicht allzu weit  weg stattgefunden haben, so ist hier in Dernah keine besondere unangenehme Stimmung in der Luft zu spüren.

 

OK, gestern Abend hat wieder einmal der Material-Container der benachbarten Baufirma in Flammen gestanden. Aber das scheint eher zu einer schlechten Gewohnheit geworden zu sein, seitdem vor einigen Wochen hier die ersten Versuche unternommen wurden, die noch nicht fertiggestellten Häuser rechtzeitig zu beziehen. Seither brennt es innerhalb des Neubaugebietes immer mal wieder und die dunklen Rauchwolken von brennendem Gummi und Plastik, die über der Stadt sich ziehen, sind in den Alltag übergegangen.

 

Man kann schon feststellen, dass die Kommunikation eingeschränkter ist, da man  momentan nicht aus Libyen raus telefonieren kann. Inkonsequenter Weise ist es allerdings möglich eine SMS zu schreiben und aus dem Ausland angerufen zu werden. Ebenfalls funktioniert der libysche Internetstick nicht mehr, aber über die Satellitenverbindung der Baufirma komm ich weiterhin ins Internet.

 

Stra-ensperre_1-klein.JPGPhysisch habe ich erst heute an einigen Stellen gewisse Veränderungen feststellen können, als ich mich auf 10 Kilometer an Al Baida genähert hatte, um einen Kollegen vom Flughafen in Al Abraq abzuholen. So gab es zwei Hindernis-Parcours auf der Straße. Der Parcours bestand aus Steinen bis zu 30 cm Höhe, die quer über die Straße drapiert waren und das in drei Reihen in einem Abstand von ca. 25 Meter. Diese Hürde war in einem Slalom auf der Straße leicht zu umfahren. In der Nacht stelle ich es mir allerdings unangenehm vor, wenn man auch nur eine Reihe übersieht und direkt in die Steine brettert. Da wäre der Verlust der Vorderachse noch das kleinste Problem. Die andere Barrikade war da schon massiver und bestand neben Steinen aus zwei noch rauchenden Autowracks plus extra Reifen. Um dieser Sperre zu umgehen, musste man dann doch schon die Straße verlassen. Unklar ist wer der Erbauer dieser Straßenblockaden war, denn zum einen bietet diese Hindernisse eine gute Kontrollpunkt-Möglichkeit, zum andern könnte es auch als Demonstration des Unmutes aufgefasst werden.

 

Noch deutlicher wurde mir bewusst, dass doch nicht alles ganz normal (mir ist schon klar, dass die Definition von „normal“ nicht ganz den deutschen Gepflogenheiten gleichkommt) hier ist, denn als  ich auf das Flughafengelände fahren wollte, war das Tor vom Militär versperrt und bewacht. Da ich, wie sich im Nachhinein rausstellte, der erste Gast an diesem Morgen war, sah das gesamte Flughafengelände vom International Airport La Abraq vollkommen verlassen aus,  bis auf die ca. 150 Soldaten, die dort anscheinend auch übernachtet hatten. Ich sah mich schon auf den Weg nach Benghazi, da ich vermutete, dass der Flug meines Kollegen bestimmt dorthin umgeleitet wurden war, aber nach vorzeigen meines Ausweises und meiner Erläuterung, dass ich als Fahrer jemanden Abholen wollte, wurde das Tor für mich geöffnet und ich durfte passieren.

 

Ich war dann allerdings auch einer der ersten und letzten, die das Tor überwinden durften, bis drei kurz nach mir folgende Fahrzeuge, mussten die restlichen Familien, die zum Abholen oder Bringen von Bekannten und Verwandten kamen, vor dem Flughafen Stellung beziehen. Es gab allerdings keine bedrohlichen Momente, auch wenn ich dazu aufgefordert wurde mit der Auto nicht in Sichtrichtung zu den Soldaten zu parken und die Landesverteidiger in ihren blauen Flecktarnanzügen alle mit ihren Maschinengewehren herumstolzierten. Für die vorherige oder zukünftige Auseinandersetzung hatten sie sich zusätzlich noch griffige Schlagstöcker aus Holz gebastelt, die mit ihren 50 bis 80 cm Länge sehr praktisch aussahen und mich ein bisschen an die Bewaffnung erinnerten, die ich mir überwiegen als Kind ausgesucht hatte, um im Wald imaginäre Gegner jeder Art zu besiegen.

 

Das Flugzeug landete wie immer etwas verspätet und der Rest der Abholprozedur ging auch reibungslos und ohne besondere Vorkommnisse vonstatten.

 

Wie sangen schon die Ärzte in ihrem Lied „Mit dem Schwert nach Polen“:

 

"Und in gebrochenen Deutsch schrieb er seinen Eltern: Macht euch keine Sorgen!"

 

 

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  • : Kurze Erlebnisberichte über meinen Aufenthalt in Libyen und jetzt auch Albanien
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